28.06.2006, 01:10 | Suchen
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Berlin - Auf den heutigen Tag habe er sich "voller Wehmut gefreut", sagte Joschka Fischer, als alles vorbei war. All die Widerspr?chlichkeit, die mit dem Abschied des Vollblutparlamentariers von seiner Fraktion verbunden ist, lag in dieser Formulierung. Denn nat?rlich ist sein Abgang eine Z?sur - f?r viele in Fraktion und Partei aber auch ein Schritt, den sie noch l?nger als Fischer und weniger wehm?tig herbeigesehnt haben. Fischer redete denn auch gar nicht erst drum herum: Ausdr?cklich bedankte er sich "auch f?r den Streit", den er gehabt hatte, und entschuldigte sich sogar daf?r, dass er selbst nicht immer freundlich und geduldig gewesen sei. Nach 23 Jahren als Abgeordneter, erst in Hessen und dann im Bund, hat Joschka Fischer, der Politdinosaurier der Gr?nen, heute seinen Abschied aus dem Parlamentsleben genommen.
Ich will ich sein, anders kann ich nicht sein / Ich will nicht sein wie der und der Ich will sagen, was ich denke / Ich will ich sein, anders kann ich nicht sein.
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Mit ihm endet eine Schicksalsgemeinschaft. Eine Symbiose, zwischen einer Partei, die ohne ihn nie den Impetus erzielt h?tte, den sie heute hat. Und daf?r den Preis bezahlte, sich jahrzehntelang inoffiziell von ihm f?hren zu lassen. Daf?r haben viele ihn zumindest zwischenzeitlich gehasst - und doch gewusst, dass es ohne ihn nicht gegangen w?re. Denn zugleich war er ja auch fast im Alleingang der, der den Gr?nen die Lust an der Macht beibrachte, der sie bis zur Unterst?tzung eines Krieges ?berzeugen konnte.
Hast 'ne Pause verdient, aber mehr auch nicht. / Morgen gehts weiter, warte nicht. / Spring mitten rein ins s??e Leben, / du brauchst dein Geld nicht der Heilsarmee geben.
Fischer weigerte sich heute trotzdem standhaft, pathetisch zu werden. "Ich bin einer, der T?ren abschlie?t, den Schl?ssel wegwirft und dann auch nicht wiederkommt, um sie einzutreten", hatte er zuvor hinter verschlossenen T?ren seiner Fraktion mitgeteilt. Es war eine kurze Ansprache, die er dort hielt, emotional, aber nicht r?hrig.
Zu lang war schon klar, dass er gehen w?rde. Auch dass Fischer ab Herbst an der US-Eliteuni Princeton lehren w?rde, ist seit ?ber einer Woche bekannt. Ja, sogar seinen R?ckzug aus der Politik hatte Fischer ja bereits unmittelbar nach der verlorenen Bundestagswahl angek?ndigt - es ging heute also nur noch um den formalen Vollzug des Abschieds. Dass dieser ?berf?llige Tag f?r Fischer eine Befreiung sein w?rde, hatte er selbst zuletzt oft genug angedeutet. "Ich w?re, auch wenn wir gewonnen h?tten, nach einem Jahr gegangen", sagte der Ex-Au?enminister heute mit Blick auf die vorgezogene Bundestagswahl 2005. Entzugserscheinungen, erkl?rte er trotzig, werde er sicher nicht haben.
Ich will raus aus dem Ghetto,/ ich kann da nicht mehr rein. / Ich will alles und das schon heute sein
Die Gr?nen hatten aus diesem Grund schon zuvor angedeutet, der "Bahnhof" um den Abschied werde auch von ihrer Seite aus nicht allzu gro? ausfallen. Also hielten auch Fraktionschef Fritz Kuhn, Partiechefin Claudia Roth nur kurze Ansprachen. Gr?nen-Urgestein Marieluise Beck erinnerte an alte Zeiten, an die erste Bundestagsfraktion der Gr?nen, in der auch Joschka Fischer gesessen hatte.
Ach, was waren das f?r Zeiten / Als ich noch jung und h?bsch war,/ frisch und knackig aussah / niemals meinen K?rper schonte
Sein Verm?chtnis konzentrierte Fischer auf zwei Punkte: Nie, bimste er seinen Parteifreunden ein letztes Mal ein, d?rften sie vergessen die Machtfrage zu stellen. Und auch das "Schwarzbrot"", die inhaltliche Arbeit, d?rften sie nicht vernachl?ssigen. Er prophezeite sogar, dass die Partei "fr?her, als viele meinen" eine ernsthafte Machtoption haben k?nnte - vielleicht schon vor 2009. Au?enpolitisches, Internationales - seit seiner Amtszeit als Au?enminister sein Leib-und-Magen-Thema, fiel heute ausnahmsweise aus.
Zum Abschied gab es dann noch Champagner - und, nat?rlich, Geschenke: Von der Fraktion 12 Flaschen edlen Wein, von der Partei einen i-Pod und eine Doppel-CD mit einem Berliner Live-Konzert der Band "Ton, Steine, Scherben". Claudia Roth war einmal deren Managerin gewesen, und die Linksrocker standen in den Achtzigern in dem 68er-bewegten Plattenschrank. Heute sind die altvertrauten Lieder wohl eher ein wehm?tiges St?ck Erinnerung - aber vielleicht kann Joschka Fischer den Texten ja auch noch wegweisendes f?r sein neues Leben entnehmen, wie eine gr?ne Bundestagsabgeordnete hoffte.
"Bewegend", sagten Teilnehmer anschlie?end, sei die Veranstaltung gewesen. Auch Fischer nannte es einen sch?nen Abschied, als er kurz darauf noch zehn Minuten den dutzenden versammelten Journalisten Rede und Antwort stand. Und dann, dann gingen die Gr?nen wieder rein in den Sitzungssaal - und Fischer ging langsam raus aus dem Reichstag. Tat die H?nde in die Taschen, dachte vielleicht schon an Princeton, und ein bisschen h?rte es sich an, als w?rde er pfeifen.
Quelle:www.spiegel.de | |