Deutschland entzaubert den Europameister
Dortmund - Totgesagte leben länger: Nachdem die Konkurrenz die deutsche Mannschaft nach der Vorrunde schon abgeschrieben hatte, ist der EM-Fünfte plötzlich auf Kurs Richtung Gruppensieg in der Hauptrunde.
Küsschen der Helden: Fritz (M.) und Kraus (r.) waren Garanten des Sieges
Am Samstag kämpfte eine wie entfesselt spielende deutsche Mannschaft in der mit 12.000 Zuschauern ausverkauften Westfalenhalle im Klassiker Top-Favorit Frankreich 29:26 (14:9) nieder und steht vorzeitig im Viertelfinale.
Das Team von Heiner Brand spielte beim achten Erfolg im zehnten WM-Spiel gegen den Europameister das beste Länderspiel seit Olympia 2004.
Mann des Tages waren der Joker und der Keeper: Michael Kraus wuchs als Ersatz für den Verletzten Markus Baur als Spielmacher in einer leidenschaftlich kämpfenden und spielerisch starken deutschen Mannschaft über sich hinaus.
Fritz gewinnt Keeper-Duell
Die DHB-Auswahl (6:2 Punkte) konnte sich aber auch auf ihren Keeper verlassen: Das Fernduell zwischen den Kieler Torhütern Henning Fritz und Thierry Omeyer entschied der Deutsche für sich. Mit zwei gehaltenen Siebenmetern kurz vor Schluss wurde der Routinier zum Helden von Dortmund.
Nach dem Sieg gegen den Europameister (4:4 Punkte) kann sich das DHB-Team am Sonntag bei seinem letzten Auftritt in der Dortmunder Westfalenhalle eine komfortable Ausgangsposition für das Viertelfinale schaffen. Letzter Gegner in der zweiten Gruppenphase ist Island (15.15 Uhr LIVE).
Es knistert
Bereits eine halbe Stunde vor dem Anpfiff stimmte sich das deutsche Publikum lautstark auf das Kräftemessen mit dem WM-Dritten von 2005 ein. Die Spannung war greifbar.
Bereits in der fünften Minute jedoch die erste Schrecksekunde für den Gastgeber. Spielmacher Markus Baur verletzte sich am Fuß und musste sich behandeln lassen. Youngster Michael Kraus wurde ins kalte Wasser geworfen.
Der 23-jährige Göppinger übernahm, beflügelt von der Atmosphäre, in seinem 33 Länderspiel sofort Verantwortung. Mit dem 3:2 traf er zur ersten deutschen Führung (5.) und baute sie nach zwölf Minuten auf 6:4 aus.
Deutsche Deckung steht
Der Favorit war beeindruckt. Zum einen von der Kulisse, zum anderen aber auch von der wie aufgedreht spielenden deutschen Mannschaft.
Trainer Claude Onesta versuchte es mit drei Rechtshändern im Rückraum, zunächst aber ohne den Kieler Superstar Nikola Karabatic. Der kam nach einer Viertelstunde, hatte aber ebenfalls große Probleme gegen die deutsche Deckung und den abermals starken Henning Fritz.
Acht Minuten blieb der Favorit ohne Treffer. Stattdessen gelang Torsten Jansen das 8:4 (17.).
Fritz pariert gegen Abati
Nach 22 Minuten standen riss es die deutschen Anhänger erneut von den Sitzen, als Fritz einen Siebenmeter von Joel Abati hielt.
Alles schien zu funktionieren beim Außenseiter. In Unterzahl gelang Florian Kehrmann mit dem 10:5 die erste Fünf-Tore-Führung (22.). Die Halle bebte.
Zeitz mit Gewalt
Das Publikum peitschte den Gastgeber weiter nach vorn. Und die DHB-Auswahl tat alles, um die Fans bei Laune zu halten. Christian Zeitz düpierte mit zwei Gewaltwürfen seinen Kieler Vereinskollegen Omeyer - 12:7 (27.).
Kurz vor dem Wechsel gelang dem überragenden Michael Kraus mit Einzelaktionen in Unterzahl das 13:7 und kurz darauf das 14:8.
Stehende Ovationen gab es für die deutsche Mannschaft schon in der Schlussminute der ersten Hälfte.
Kraus nicht zu stoppen
Und die DHB-Auswahl ließ nach Wiederbeginn nicht nach. Michael Kraus erzielte seinen sechsten Treffer zum 17:11 (34.). Da saß Frankreichs Keeper Omeyer, der nur zwei von 18 Würfen bis dato gehalten hatte, bereits auf der Bank.
Der Kieler musste bis zu seiner Rückkehr aufs Parkett in der 47. Minute mit ansehen, wie das deutsche Team weiter den Ton angab und sein Kieler Rivale Fritz überzeugte. Pascal Hens warf in Unterzahl das 20:13 heraus (39.).
Eine dramatische Schlussphase
Frankreich versuchte alles, um wieder ins Spiel zurück zu finden, schloss schneller ab. In Überzahl verkürzte Luc Abalo zum 17:21 (44.), Karabatic machte das 19:23 (49.).
Doch da war ja noch Fritz. Der Welthandballer von 2004 war zur Stelle, als ihn die deutsche Mannschaft brauchte. Jede Parade wurde von den Fans gefeiert. Und vorn gab es ohnehin kein Halten.
Dominik Klein beruhigte mit dem 25:19 die Nerven (50.). Doch gelaufen war da noch nichts.
Fritz hält zwei Siebenmeter
Der Magdeburger Joel Abati hielt die Hoffnungen der Gäste mit einem Hattrick zum 22:25 am Leben (54.). Brand reagierte, brachte Johannes Bitter für Fritz.
Es wurde noch einmal eng. In Überzahl gelang Karabatic das 26:28 (58.). Fritz kam zurück, doch Kehrmann kassierte gerade, als die deutsche Mannschaft wieder komplett war, die nächste Zeitstrafe. Die letzten zwei Minuten in Unterzahl!
Doch Fritz wurde zum Matchwinner: Der Kieler hielt Siebenmeter gegen Olivier Girault und Nikola Karabatic und damit den deutschen Sieg fest.