Barcelona - Kaum jemand anderes hatte 2010/11 so begeisternden und vor allem kompromisslos dominanten Fußball gespielt, wie die Katalanen. Arsenal, Madrid und Manchester United waren keine Gegner und die Fußballwelt zitterte vor dem Hammerlos Barca. Wer sollte sie stoppen? So war auch die Favoritenrolle vor der Saison 2011/12 klar verteilt. Die Experten waren sich einige, der Titel geht nur über Barcelona und kaum eine andere Mannschaft hat die Qualität ihnen ernsthafte Probleme zu bereiten. Es sollte also eine Saison für die Geschichtsbücher werden.
Neuer Spieler beim FC Barcelona - Cesc Fabregas
Bereits vor dem neuen Anlauf wurde klar, dass Trainer Pep Guardiola es ernst meint. Mit Gabriel Milito, Bojan Krikic und Jeffren Suarez verlassen 3 Spieler den Verein, die zuletzt nicht mehr in der Lage waren, die von ihnen geforderte Leistung zu bringen. Milito war von mehrere Verletzungen immer wieder zurückgeworfen worden, Bojan konnte sein Prädikat - Ewiges Talent - nicht loswerden und Jeffren fiel dem Überangebot im Sturm zum Opfer.
Gleichzeitig folgte ein Paukenschlagtranfer nach dem anderen. Alexis Sanchez kam für etwa 26 Millionen aus Italien, Cesc Fabregas für 40 Millionen vom FC Arsenal zurück und noch dazu wurden die beiden, in der Vorbereitung überzeugenden, Andreu Fontás und Thiago Alcantara in die erste Mannschaft hochgezogen.
In die Saison startete man rumpelnd. So gewann man zwar beim Audi Cup in München gegen die Gastgeber mit 2:0, musste sich allerdings im Finale mit 1:2 geschlagen geben. Es folgte ein wenig überzeugendes 2:1 gegen Girona und eine 3:0 Niederlage, im katalanischen Pokal gegen Espanyol Barcelona. Auch das erste Pflichtspiel der neuen Saison konnte man nicht gewinnen, auch wenn der Gegner diesmal Real Madrid hieß, enttäuschte der FC Barcelona im spanischen Supercup und konnte nur ein 2:2 retten. Rechtzeitig zum Rückspiel fing man sich jedoch wieder und gewann mit 3:2 gegen den Rivalen aus der Hauptstadt. Es folgten 3 Siege mit einer Tordifferenz von 12:0, gegen gut eingeschätzte Gegner wie Porto und Villarreal.
Auch danach ging es munter weiter und man blieb 21 Partien ohne Niederlage, bis man im Madrider Vorort gegen Getafe 3 Punkte in der Ferne liegen ließ. Ein Warnsignal an das Trainerteam, denn der FC Barcelona schien einen Hang dazu zu haben, auswärts wichtige Punkte zu verlieren. So war man schon gegen Milan, Valencia oder Sociedad nicht im Stande gewesen, in fremdem Hause 3 Punkte zu entführen. Jedoch ließ man sich nicht weiter beirren und spielte souverän weiter, so schlug man auch Real Madrid im dritten Zusammentreffen der Saison mit 1:3 und belehrte einige Kritiker.
Ausgerechnet beim verhältnismäßg unwichtigen Spiel brach sich Villa das Schienbein.
Der Nackenschlag folgte dennoch bereits wenige Spiel später. Bei der Klub-WM brach sich Stürmer David Villa im Halbfinalspiel gegen Al-Sadd das Schienbein und fiel für die restliche Saison aus. Zuerst zeigte man sich unbeindruckt und gewann die nächsten Partien überragen mit 4:0, 9:0 und wieder 4:0, aber plötzlich wurden die Spieler müder, es konnte aufgrund vieler Verletzungen nicht mehr so munter rotiert werden wie noch zuvor und so tat man sich immer schwerer und schwerer. Vorbei schien die Zeit, als man noch über seine Gegner hinweggefegt war, inzwischen musste desöfteren die Brechstange herhalten.
Trotz all der Rückschläge spielte Barca sich in das Copa del Rey Finale, nach zwei knappen Partien gegen Real Madrid. Jedoch konnte man trotz der vielen Siege den souveränen Tabellenführer nicht einholen und blieb Spieltag für Spieltag hinter der Mannschaft von Mourinho zurück. Kaschiert wurde dieser Umstand durch überragende Spieler in der Champions League, zum Beispiel als man den deutschen Verein Bayer Leverkusen mit 7:1 überrollte.
Auch Milan war kein Gegner und so fand man sich gegen Ende der Saison im CL Halbfinale wieder und hatte aus heiterem Himmel den Rückstand auf Madrid in der Meisterschaft wieder reduziert. Es sollten also die Schicksalswochen folgen, wollte man einen großen Titel holen. Nachdem man sich bei Überraschungsmannschaft UD Levante zu einem 1:2 Sieg gerungen hatte, flog man direkt nach London zum Hinspiel des UEFA Champions League Halbfinals.
Drogba trifft mitten ins Herz der Blaugrana.
Man begann stark und erspielt sich im kalten London einige Chancen, Sanchez scheiterte mit einem Lupfer an der Latte, Fabregas und Messi an Torhüter Petr Cech. Die kompromisslose Deckung und Defensivarbeit der Engländer schien nicht aufzugehen, da Barcelona Chancen en Masse hatte, bisher konnte man sich nur beim starken Keeper bedanken, dass man nicht in Rückstand geraten war. Dann allerdings kam die zweite Minute der Nachspielzeit in der ersten Hälfte. Drogba tauchte plötzlich vor dem Kasten von Valdés auf, nachdem Ramires die Abwehr der Katalanen überrumpelt hatte und schloss trocken zur Führung ab. Auch die zweite Halbzeit brachte keinen Lichtblick für Barca und so fuhren die Gäste mit einer 1:0 Niederlage im Rücken und ohne dem geforderten Auswärtstor wieder nach Hause.
Nur 3 Tage später wartete der nächste Knaller im Camp Nou. Barca gegen Madrid, das fünfte und letzte Mal diese Saison. Gewinnt Barca, sind sie wieder auf einen Punkt ran, verlieren sie, verlieren sie auch die Meisterschaft. Es sollte allerdings wieder nicht sein, Barcelona wirkte mit dem Kopf nur in der Champions League und verlor zum ersten Mal seit über 4 Jahren wieder zu Hause gegen Real. Damit war die Meisterschaft gegessen und man konnte sich wenigstens voll und ganz auf das Halbfinalrückspiel konzentrieren.
Aus und vorbei. Barcelona raus - Chelsea im Finale.
Eigentlich war alles angerichtet für ein Fußballfest der besonderen Sorte. Das Stadion war selbstverständlich komplett gefüllt, Beim Blick auf die Aufstellungen wurde es den Fans warm ums Herz. Auf der einen Seite, die Guten, im 3-4-3 mit Stars wie Xavi, Fabreagas, Piqúe oder Messi, auf der anderen Seite, die Bösen, mit Zerstörern wie Terry, Cahill oder dem herrausragenden Torwart Petr Cech. Auf der einen Seite die schöne Seite des Fußballs, attraktiv, erfolgreich, schnell und bescheiden, auf der anderen Seite, die umstrittenste Seite des Fußballs. Mauerfußball in seiner reinsten Form, alles geht, nur kein Tor kassieren. So war die Rollenverteilung schnell gefunden, die allgemeine Meinung, außerhalb Londons, war klar. Barcelona muss und wird dieses Spiel gewinnen.
Und so sah es auch lange aus. Die Gastgeber begannen sofort die Engländer einzuschnüren und dominierten nach Belieben. Nur das Tor war wie vernagelt. Erst nach 35 Minuten brach der Bann und Busquets traf zum 1:0, wenig später legte Iniesta noch einen drauf und die Fans auf den Tribünen waren vor Freude kaum mehr zu halten. Das Gerechte schien gesiegt zu haben und der schöne Fußball schien für das Finale qualifiziert zu sein. Doch dann geschah, was passieren musste. Die 45 Minute wird sich für immer das Herz eines jeden Barcelonafans brennen. Ramires gegen 3 zieht in den Strafraum und überluft den herraustürmenden Valdés. 2:1. Barcelona brauchte jetzt das 3:1.
Und genau das wurde ihnen zum Verhängnis. Egal wie sie drückten, das Tor war dicht. Messi scheiterte per Elfmeter an der Latte, Sanchez mit dem Kopf am Außenpfosten und Cuenca an Cech. Es war dann die 92. Minute, die wohl dramatischte Geschichte des Fußballjahres 2011. Torres bekam den Ball an der Mittelinie und war alleine gegen Valdés, der Spanier der seit Monaten seiner Form hinterher lief, übersprintete Valdés und legte den Ball ins leere Tor. Chelsea im Finale und Barcelona scheitert. Dennoch gab es im Camp Nou stehende Ovationen für die Mannschaft von Pep Guardiola, die bis zur letzten Sekunde an seine Spielweise geglaubt hatte und nie auch nur den Anstand machte, irgendetwas an ihrer Spielphilosophie zu verändern. 11 Mann in der gegnerischen Hälfte schienen nicht genug gewesen zu sein.
Kleines Trostplaster: Die Copa del Rey.
Gleich nach dem Spiel folgte der nächste Nackenschlag für Barca. Pep Guardiola, das Gesicht der letzten 4 Jahre, gab bekannt, seinen Trainerposten nach dieser Saison aufzugeben. Es sollte also seine Abschiedstour werden.
Eine Abschiedstour für den besten Trainer der Vereinsgeschichte, diesem wurde der FC Barcelona gerecht. 0:7 zerlegte man Rayo Vallecano, 4:1 Malaga und 4:0 den Stadtrivalen Espanyol Barcelona. Dabei stellte Messi den Rekord von 67 Treffern in einer Saison ein und legte noch einen drauf, am Ende kam der Argentinier auf 73 Tore in der Saison 2011/2012, was ihm sowohl den Pichichi als auch den Goldenen Schuh sicherte. Außerdem war er der erste Spieler, der in der Liga BBVA mehr als 50 Tore erzielte.
Das beste Trostplaster für die geschundene Fanseele folgte dann am 25.Mai, an dem man die Basken aus Bilbao mit 3:0 besiegte und damit zumindest einen nennenswerten Pokal nach Hause brachte. Nach dem Finale übergab Guardiola dann endgültig das Zepter an Vilanova, seinen Co-Trainer und verabschiedete sich mit einer emotionalen Rede und einem Freundschaftsspiel zwischen Team Guardiola und Team Vilanova vorerst aus Katalonien, um in die USA zu ziehen. Seine Zukunft ließ er dabei allerdings offen. Er sprach allerdings noch einmal sein volles Vertrauen in Tito Vilanova aus und prophezeite Barcelona mit oder ohne ihm eine tolle Zukunft.