15.04.2011, 23:14 |
Beitrag #305 |
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Es gibt leichtere Aufgaben. Wie krempelt man alles um und bleibt trotzdem im Spiel? Im hundertsten jahr der Vereinsgeschichte hat sich das Präsidium von Werder Bremen dieser Aufgabe gestellt. Es begann nicht mit dem Rücktritt dieses Präsidiums im Mai 1999. Jener Rücktritt war nur der lauteste Knall in einem lange vorbereiteten Prozess. Schon Jahre zuvor nahmen Franz Böhmert, der Präsident, Klaus-Dieter Fischer, der Vizepräsident, und Manfred Müller, der Schatzmeister, die Umwandlung der Profi-Abteilung in eine Kapitalgesellschaft ins Visir. Aus dem Verein sollte eine Marke, aus dem ehrenamtlich geführten Laden ein moderner Wirtschaftsbetrieb werden. Sogar Pläne zum Börsengang lagen in der Schublade des Managers Willi Lemke. Man verwarf sie, weil die Vereinsphilosophie erhalten bleiben sollte. Das Tafelsilber sollte ohne Not nicht verkauft werden. Als der Trainer Felix Magath im Frühjahr '99 die Mannschaft bis kurz vor die Zweitklassigkeit getrieben hatte, begann der offizielle Teil der Zäsur. Man trennte sich von magath und von sich selbst: Eines der dienstältesten Präsidien der Bundesliga trat zurück. Auch der Manager wollte anlässlich des großen Knalls am 10.Mai hinwerfen, doch das brauchte Willi Lemke gar nicht. Längst hatte ihn Bürgermeister Henning Scherf als SPD-Senator in seine wahrscheinliche Landesregierung eingebaut. Nach der Bürgerschaftswahl war es dann offiziell: Nach 18 Jahren als Werder-Manager wechselte Lemke auf den Posten des Bremer Bildungssenators. Der Rückzug der grün-weißen Chefetage erwies sich in jeglicher Hinsicht als geschickter Schachzug. Er rettete das Kerngeschäft Fußball. Mit Magath wäre die Mannschaft womöglich abgestiegen. Schaaf bewahrte sie davor. Der scharfe Schnitt des Führungs-Trios machte parallel den Weg frei für eine neue Struktur - und war trotzdem weich genug geführt. Er ließ die Tür offen, selbst in die Chefetage zurückzukehren. Böhmert, Müller, Fischer behielten die Fäden in der Hand. Sie bastelten emsig an der neuen Riege, die aus einem Aufsichtsrat und einem vierköpfigen Vorstand bestehen sollte. Sie riefen bei der Deutschen Bank in Montevideo an und akquirierten den langjährigen Werder-Freund Jürgen L. Born als neuen Vorstandsvorsitzenden. Born, der 40 Jahre lang in Südamerika als Banker gewirtet hatte, sagte sofort zu. Wirtschaftlich unabhängig, gab er fortan in Bremen einen der wohl wenigen unbezahlten Vorstandsbosse des Landes. Ein Frühstücksdirektor war er trotzdem nicht, obwohl manch einer seine Rolle zunächst so interpretierte. Born schwamm sich frei, sein Wort nahm an Gewicht merklich zu. Lemkes Manager-Amt sollte in zwei Vorstandsposten aufgespalten werden: einenSport- und einen Marketingsdirektor. Ein richtiger Sportmanager konnte Lemke nie sein. "Er hat keine Ahnung vom Fußball", sagten sowohl Otto Rehhagel, als auch Rudi Assauer über Lemke. Das war überspitzt, traf aber den Kern. Lemke hatte die Mannschaft nie mitgestaltet, er reagierte jewils auf die Signale des Trainers. Auch der Plan, einen Sportdirektor zu installieren, schwirrte schon seit Jahren durch die präsidialen Köpfe. nach vier Fehlgriffen in der Auswahl der Trainer schien die Zeit überreif. Das Modell Rehhagel, welches die Funktionen Trainer und Sportdirektor quasi in sich einte, ließ sich nicht wieder beleben. Man fertigte für den neuen Posten eine Liste an. Darauf stand der Schwabe Hansi Müller ganz oben und dahinter der Rheinländer Klaus Allofs. Der Name Sundermann verschwand schnell wieder. Der Name Berti Vogts hatte nur auf einer längst zerknüllten Liste gestanden. Allofs war bereits im Herbst das erste Mal angesprochen worden: als Trainer der Düsseldorfer Fortuna, die im DFB-Pokal den Bremern im Weserstadion unterlag. Ein halbes Jahr später wurde der Kontakt nun intensiver. Allofs hielt im Vorstellungsgespräch dem [Ex]-Präsidium einen brillianten Vortrag - und wäre doch um ein Haar nicht genommen worden. Der Weg war erst frei, als Favorit Hansi Müller absagte. Der Schwabe wollte seinen Kindern keinen Schulwechsel zumuten, erstrecht nicht ins strukturschwache Bremen. Für den job des Marketingdirektors führte man keine Bewerbungsgespräche. Der AOK-Chef Manfred Müller führte nur Gespräche mit der AOK, um dort seinen Vertrag aufzulösen. Auch für den vierten neuen Vorstandsposten, der die bereiche Amateure, Jugendarbeit und Nachwuchs-Leistungszentrum zusammenfassen sollte, gab es kein Wettrennen. Die größte Kompetenz lag eindeutig bei Klaus-Dieter Fischer, dem offiziell zurückgetretenen "Vize". Es funktionierte wie gewünscht. Die Wählmänner des Vereins schlugen Aufsichtsräte vor, die einen Namen und eine Lobby besaßen im Verein. Neben Fernsehmann Jörg Wontorra, Ex-Spieler Hans Schulz oder Werften-Chef Friedrich Lürssen standen Franz Böhmert und Willi Lemke zur Wahl. Und als die Vereinsmitglieder ab- und zugestimmt hatten, wurde Böhmert der neue Aufsichtsratvorsitzende, Lemke sein Stellvertreter. Das Gremium berief folgenden Vorstand: Born, Allofs, Müller und Fischer. In einem zweiten Schritt wurden die vier später zu Geschäftsführern der "Werder GmbH & Co. KG aA", mit dem alleinigen Anteilseigner SV Werder. Es begann die neue Zeit, die sportlich zur Champions-League und wirtschaftlich zur Marke Werder führte. Die neue Zeit brach an, mit altem Namen. Werder hatte sich fit gemacht für die zukunft und war sich selbst treu geblieben dabei. Die Aufgabe war schwer. Nicht alle Vereine haben sie so gewinnbringend gelöst. - | |