Am 18. April 1979, wenige Tage vor seinem 18.Geburtstag, absolvierte Schaaf unter Trainer Wolfgang Weber sein erstes Bundesligaspiel. Es war nicht eben ein Highlight in seiner Karriere. Am Morgen des Spieltages war er noch zur Schule gegangen und dann dem Kader mit dem zug hinterhergereist. In der 65.Minute wurde er eingewechselt. Werder verlor 0:3. Schaaf war der jüngste Werder-Spieler, der je in der Bundesliga aufgelaufen war. Mehr als 25 Jahre hielt er diesen Rekord, ehe Aaron Hunt im September 2004 seinen Trainer unterbot. Schaafs erstem Bundesligaspiel sollten 261 weitere folgen, dazu kamen 19 in der zweiten Bundesliga und zahlreiche Europacup- und DFB-Pokalspiele. Insgesamt bestritt er zwischen '79 und '95 fast 600 Spiele für Grün-Weiß. Auf seinen zweiten Einsatz bei den Profis musste Schaaf lange warten. Erst am 9.Spieltag der Zweitligasaison 80/81 durfte er gegen den OSV Hannover wieder auflaufen. In den verbleibenden elf Minuten nach seiner Einwechslung schoss er prompt ein Tor. Schaaf wurde gern in die Schublade der Fußballarbeiter gesteckt. Das ist nur die halbe Wahrheit: Ganz bestimmt lieferte er, zumeist rechts in der Abwehr oder im Mittelfeld eingesetzt, ehrliche Arbeit ab. Aber er wehrt sich gegen das Klischee, lediglich als Zerstörer über den Platz gegrätscht zu sein. "Ich war schon einer, der mit der Pille umgehen konnte", sagt er. Eilts schwärmt noch heute von Schaafs Vorstößen über den Flügel und dessen Flanken: "Man könnte wunderbar mit Thomas kombinieren, er besaß eine extrem hohe Passsicherheit." Doch ein Star war Schaaf als Fußballer nie. Später, als Trainer, wurde er zum Star. Auf seine bodenständige Art. In einem grauen Pullover gewandet, der zum Verkaufsschlager, zum Kultobjekt wurde. Seine Auftritte in der Öffentlichkeit meisterte er überwiegend souverän. man wurde dennoch das Gefühl nicht los, dass ihn das Rampenlicht blendet. "Ich versuche mich so rüberzubringen wie ich bin. Ob mir das gelingt, müssen andere beurteilen. Diese Glitzerwelt", sagt Schaaf, "die mag ich nicht so." Rhetorisch ist er nicht so bewandert wie als Fußball-Taktiker und Motivator. Er benutzt manchmal Redewendungen, die nicht recht passen wollen. Aber er wirkt authentisch. Werders Geschäftsführer Jürgen L.Born sagt: "Es gibt nur den einen Thomas Schaaf, der lässt sich nicht verbiegen." Zweimal hat Schaaf als Spieler den DFB-Pokal gewonnen. Allerdings stand er weder 1991 gegen Köln, noch 1994 gegen Essen auf dem Platz. Es hat ihm nicht geschmeckt. Aber er hat nicht dagegen protestiert. Schon als Aktiver nahm er sich selbst nicht so wichtig wie die Mannschaft. ganz verbergen konnte er seinen Frust nicht. Auf einigen Fotos kann man das deutlich sehen. 1988 und '93 wurde er mit Werder Deutscher Meister. Er war an den ersten beiden "Wundern von der Weser" aktiv beteiligt. Gegen Spartak Moskau und auch gegen Dynamo Berlin, wo er mit einem herrlichen Fernschuss zum 5-0 traf. Im Mai '92, beim Triumph im Finale des Europapokals der Pokalsieger in Lissabon, wurde er nach einer guten halben Stunde für den verletzten Thomas Wolter eingewechselt. Schaaf war kein Zauberer, aber immer ein offensiv denkender Fußballer. Einer der Fußball arbeitete, wenn es nötig war, der vor allem aber Fußball spielte, weil es ihm einen unglaublichen Spaß machte zu kombinieren. Insofern tun ihm all jene Unrecht, die sich wundern, warum ausgerechnet ein ehemaliger Abwehrspieler einen solch offensiven Kombinations-Fußball spielen lässt. Der Trainer Schaaf brimgt es auf einen einfachen Nenner: "Es sollen möglichst viele am Spiel teilnehmen." Bereits seine Jugendmannschaft ließ er nach vorne spielen. Es ging nicht immer gut, manchmal starben seine Teams in Schönheit. Doch Schaaf ließ sich nicht davon abbringen, er verfolgte seine Linie weiter. Er will etwas anbieten, wie er so oft sagt. Ein ermauertes 1-0 mit unansehnlichem Fußball gehört nicht zu den Angeboten, die er für erstrebenswert hält. Seine Konsequenz grenzt bisweilen an Sturheit. "Er kann schon ein sturer Hund sein, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat", sagen sogar Freunde. Es ist eine von seinen Eigenschaften, nie wirklich zufrieden zu sein mit dem Ist-Zustand. Zufriedenheit, sagt er, berge auch die Gefahr, sich zurückzulehnen. Deutlich wird das an erfolgreichen Champions-League-Abenden. Während rund um den Trainer alles in grün-weißem jubel schwelgt, kann es passieren, dass er ein Gesicht wie "Drei-Tage-Regenwetter" macht und über einen Sieg gegen Real oder Chelsea spricht wie ein Funktionär des Dachdeckerverbandes über die schlechte Auftragslage. Schaaf begründet das einerseits mit der Anspannung, andererseits damit, dass er schon wieder an die nächste Aufgabe denkt. "Ich muss nicht wie ein HB-Männchen herumspringen", erklärt er, "wer mich kennt, der weiß, dass da Freude ist." "Thomas ist nun mal ein introvertierter Typ", sagt Eilts. Frank Rost behauptete einmal, Schaaf würde eine Menge "in sich hineinfressen". Von Otto Rehhagel hat Schaaf unter anderem gelernt, wie man Spieler stark redet. Den vergleich zu seinem Ex-Trainer mag er nicht, wie er überhaupt nicht viel anfangen kann mit Vergleichen: "Ich bin nciht der zweite Rehhagel", sagt Schaaf. Dumm wäre es, eine Kopie eines anderen Menschen sein zu wollen. "Daran gehst du kaputt." Er entwickelte früh ein Gespür dafür, dass eine Mansnchaft sich aus unterschiedlichen Charakteren zusammensetzt. Er beherrscht die Kunst, Individuen zu einer Einheit zu Formen. Nicht immer gelang ihm das, aber immer öfter. Weil er sich ernsthaft mit seinen Spielern beschäftigte. "Ich habe keine Kurse belegt, aber es ist doch klar, dass man nicht alle Spieler über einen Kamm scheren kann. Das gibt einem doch das Leben vor." Ailton war das beste Beispiel dafür. Schaaf hat die perfekte Balance hinbekommen aus langer Leine und Strenge. Ohne Schaaf wäre Toni wohl nie Torschützenkönig und "Fußballer des Jahres" geworden. In einem Intwerview zog Schaaf den Vergleich zwischen Ailton und einem Kind, das man aucvh nicht einfach so bestrafen könne, wenn es Mist gebaut hätte. Man müsse diesem Kind helfen, erklärte er. Wie er Ailton denn helfen würde, sollte Schaaf dann noch verraten. Sein grinsen reichte von einem Ende der Südtribüne bis zum anderen, als er trocken sagte: "Indem ich ihn bestrafe." . . . _______________________________________________ |